Fernmeldeamt Leipzig/Mitte mit TVSt
Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung
(Wilhelm Busch)
S. Weber, S. Lewerenz
Die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern war im wesentlichen abhängig von der zügigen Erstellung einer funktionierenden Infrastruktur, zu der ein leistungsfähiges Telekommunikationsnetz gehört. Nachdem anfangs geplant war, den hochwertigen innerstädtischen Standort in Nachbarschaft zu Oper und Gewandhaus mit einem sehr umfangreichen Technikgebäude zu bebauen, das später nach Holzhausen verlagert wurde, wurde es später für sinnvoll erachtet, die vorhandenen Fernmeldedienststellen zu erweitern.
Der ansatzweise vorhandene Baublock wird 7-geschossig geschlossen, wobei die notwendigen Treppenhäuser die Natursteinfassade in maßstäbliche Abschnitte gliedern. Ein runder Treppen- und Aufzugsturm als zentraler, vertikaler Erschließungsknoten markiert signifikant die Eck- und Eingangssituation am Grimmaischen Steinweg, der Hauptverbindungsstraße zwischen Innenstadt und altem Messegelände.
Das Fernmeldeamt umfaßt neben den reinen Bürobereichen folgende Funktionseinheiten:
-eine Teilnehmervermittlungsstelle, d. h. Räume für Übertragungs- und Vermittlungs-
technik mit den dazugehörigen Batterie- und Gleichrichterräumen
-eine Kantine für 600 Personen mit der dazugehörigen Großküche
-eine EDV-Zentrale
-Ladenbereiche, die in der Arkadenzone zweigeschossig angeordnet sind
- eine Tiefgarage für ca. 600 EP.
Das wesentliche planerische Problem des Projektes bestand darin, die verschiedenen funktionalen, technischen und konstruktiven Ansprüche einschließlich unterschiedlicher Geschoßhöhe, Stützenstellung, Belastung und Lüftungsbereiche zu einem funktionierenden Gesamtkomplex zusammenzufügen. Gleichzeitig mußte die leicht hängige Topographie des Grundstückes beachtet werden und gesichert sein, daß bei laufender Baustelle der Aufbau der Telekommunikationstechnik in den unteren Geschossen erfolgen konnte.
Die parallele Bedarfsermittlung zur Hochbauplanung, bedingt aus der Tatsache, daß möglichst schnell ein Maximum an technischer Infrastruktur geschaffen werden sollte, um die Telekommunikationsstruktur für Leipzig zu verbessern, erwies sich im Nachhinein als für das Bauvorhaben nicht besonders vorteilhaft. Es war klar, daß kurz nach der Wende keine abgeschlossene technische Bedarfsermittlung vorliegen konnte. So mußte das Lüftungskonzept wegen sich ändernder Abwärmewerte permanent geändert werden - mit allen Konsequenzen für die Hochbauplanung. Insgesamt wurden ca. 1 Million m³/h Luft zu- und abgeführt.
Der Pioniergeist, ganz im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Zielsetzung, wurde im Laufe der Bauabwicklung abgelöst durch eine intensive, den Bauablauf beeinflussende Auseinandersetzung, die, - die bürointernen Intrigen mal außer Acht lassend -, im wesentlichen in der Durchsetzung von wirtschaftlichen Interessen der ausführenden Firmen und der mangelnden Leistungsfähigkeit eines Fachplaners begründet war.
Der parallel zu Baubeginn erfolgende Umwandlungsprozeß des Bauherren von einem öffentlichen Auftraggeber zu einer privatwirtschaftlich organisierten Bauträgergesellschaft hatte eine gravierende Umstellung in der Projektabwicklung zur Folge. Die Erkenntnis, daß Architektur im wesentlichen Maße von politischen und wirtschaftlichen Einzelinteressen abhängig sein kann, wurde bei diesem Projekt besonders spürbar.