Rathaus Stade
Per aspera ad astra
K.H. Schlüter, M. Niehenke, G. Lüddecke
Planungsbedingungen:
In der Innenstadt von Stade war es der Gemeinde gelungen, in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem barocken Rathaus (1672) Grund und Boden zu erwerben, um notwendig gewordene Erweiterungen vornehmen zu können.
Die Grundstücke wiesen eine aus der mittelalterlichen Stadt- und Parzellenstruktur resultierende "Vielwinkeligkeit" auf. Der Neubau mußte somit in ein heterogen strukturiertes Flächendenkmal integriert werden.
Die Planung hatte die stark ausgeprägte Topographie (10 %) sowie den baulichen und teilweise auch funktionalen Anschluß an sieben verschiedene Altbauten zu berücksichtigen, die sich jeweils auf verschiedenen Geländehöhen befanden und unterschiedliche Fassaden- und Dachstrukturen aufwiesen - darunter das historische Rathaus. Zu sichern war auch die Erhaltung einer alten, mächtigen, als Naturdenkmal eingestuften Kastanie. Ferner war ein Maximum an Einstellplätzen unter Sicherung der vorhandenen Bausubstanz unterzubringen.
Städtebauliches Konzept:
Die Rathauserweiterung berücksichtigt die das Stadtbild prägende Einzelhausstruktur in den umgebenden Straßen durch eine den gegebenen Maßstab aufnehmende Fassadengliederung.
Die aus der Verwaltungsfunktion resultierende Traufständigkeit wird in modulartigen Einheiten durch gestalterisch leicht variierte, reliefartig stark gegliederte Risalite und gläserne Zäsuren gebrochen. Aus dieser Gestaltungsstruktur ergibt sich eine bauliche "Gliederkette", die mit den Straßenzügen mitschwingt, jedoch den baulichen Zusammenhang und die Ausmaße der Rathauserweiterung kenntlich macht.
Der Bau wird somit eigenständiger, jedoch integraler Bestandteil der Stadtstruktur, indem er die vorhandenen Merkmale strukturell aufnimmt, jedoch neu interpretiert und umsetzt.
Die Rathauserweiterung bildet verschiedene Platzbereiche. Das Grundstück dafür war gekennzeichnet durch einen relativ schmalen Anschluß an die städtebaulich wichtige Fußgängerzone (Hökerstraße).
Durch diese Distanz vom öffentlichen Raum war zwar gewährleistet, dass eine mögliche bauliche Dissonanz im Straßenraum Hökerstraße vermieden und die Dominanz des historischen Rathauses erhalten werden konnte, jedoch durfte der Neubau auch nicht in das städtebauliche Abseits geraten. So bildet ein kleiner, intimer, von der Hökerstraße aus zugänglicher und von der Sattelmacherstraße aus einsehbarer Vorplatz im baulichen Ensemble mit sanierten Altbauten die Eingangssituation. Diese neue Eingangssituation wird darüber hinaus von der Sattelmacherstraße her klar erkennbar akzentuiert durch die glasüberdeckte Eingangshalle.
Aufgrund der geringen Größe des Platzes und der bereits vorhandenen gestalterischen Vielfalt durch die vorhandene Bebauung erhielt die Platzfassade eine weitgehend einheitliche Gestaltung. Leichte Fassaden und eine Arkadenzone weiten ihn optisch. Der Platz wird durch eine Brückenkonstruktion an die Straße "Am Hagedorn" angeschlossen und auf diese Art und Weise in das öffentliche Fußwegenetz eingebunden.
Gänzlich anderen Bedingungen mußte die Lösung der räumlichen Situation hinter dem historischen Rathaus genügen. Hier handelt es sich um einen reinen "Architekturplatz", der aus der etwas abgeschiedenen Situation heraus eher die Funktion eines "städtischen Ruheraumes" erhalten hat. Historisches Rathaus, Erweiterungsbau mit dem markanten Glasgiebel der Eingangshalle und die 70 m hohe St.-Cosmae-Kirche bilden das Architekturensemble des Platzes, der zudem von der mächtigen Kastanie beherrscht wird.
Durch die Ausrichtung des glasüberdeckten neuen Hallenschiffes auf die St.-Cosmae-Kirche wird diese in ein städtebauliches Bezugssystem zu dem neuen Rathaus gesetzt und bezieht sie auf diese Weise innen- wie außenräumlich ein. Funktionales Konzept Durch die Erhaltung des Straßenraumes "Am Hagedorn" war die Gliederung in zwei Baukörper bedingt.
Diesen Baukörpern wurden verschiedene Ämter zugeordnet.
Kernstück des Komplexes ist die viergeschossige Eingangshalle. Durch die Anordnung einer glasüberdeckten Stahlkonstruktion wird eine optimale Übersichtlichkeit und Orientierungsqualität erreicht. In dieser Eingangshalle präsentiert sich das neue Selbstbewußtsein der alten Hansestadt Stade. Hier erfolgt durch die großzügige und transparente Gestaltung die Identifikation, d. h. die emotionale Inbesitznahme des Bürgers mit seinem neuen Rathaus als selbstbewußtem Antipoden zu dem historischen Bau.
Konstruktion und Material:
Um die Anordnung eines geforderten Maximums an Einstellplätzen (142) auf dem verwinkelten Grundstück zu gewährleisten, mußte die hierfür notwendige zweigeschossige Tiefgarage dicht an die historischen Altbauten (bis ca. 20 cm) herangeführt werden. Zur Sicherung dieser Altbauten und der Baugrube wurde eine Schlitzwandkonstruktion angeordnet, die stellenweise bis zu 12 m tief direkt neben den historischen Fachwerkbauten eingebracht werden mußte.
Zum Leistungsumfang der Architekten gehörte die gesamte Möblierung des Neubaus, wobei einzelne Möbelstücke wegen mangelnden Produktionsangebotes von den Architekten (Wartestühle in der Eingangshalle) oder von einem Designer (Wandleuchten) entworfen werden mußten.