Es waren fast zwei Jahre vergangen , dass nach dem Rauswurf von Paul Hezard und der Versetzung von Anna Klamroth in eine Provinzfiliale dieser Grabsch Hellers neuer Sachbearbeiter wurde .

Immer , wenn Heller diesen Raum in der Niederlassung der „Braunbank“  betrat , verwandelte sich das blasse Gesicht von Herrn Grabsch in eine schwitzende Schwarte .
Sein gleichmäßig leicht speckiger Körper schien vibrieren zu wollen .
Er wischte sich immer wieder diesen unaufhörlich laufenden Schweiß mit einem mittlerweile feuchten bankerüblich edlen Tuch ab  .
„ Was treibt sie zu mir „ fragte er an diesem 16.1. , eine gewisse Lässigkeit vorspielend .
„Sie haben mir versprochen , meine Kredite umzustellen „ antwortete Heller .
„Richtig, das habe ich gesagt „ Im Grunde war Grabsch ja eine ehrliche Haut , die sich schweißausströmend in der Zwangsjacke der „Braunbank“ wand wie ein Aal in der Reuse , aber durch die Vibration seines speckigen Körpers verlor er  jede klare äußere  Kontur.
„Was schlagen sie vor , Herr Heller „
Heller überlegte nicht lange und sagte :
 „ Schuldenschnitt , sie stellen alle meine Verbindlichkeiten auf Null und ich vergesse alle Schweinereien ihres Hauses . „
 Jetzt fing Grabsch an zu dampfen  und presste heraus :
„Das geht nicht , machen sie bitte einen konstruktiven Vorschlag .“
Konstruktiv ist eines der meist missbrauchten Worte in unserer „Kultur“  
„Na , ja „ , sagte Heller , dann machen wir neue Kredite auf Basis der Restvaluta mit 1,5 % Tilgung .“  
Das wirkte wie eine plötzliche Schlankheitskur , die wabbelnden Backen wurden wieder straff und die Vibration ließ nach .
„Das kann ich zum Kreditbüro geben , sie bekommen bis zum 1.Februar. Bescheid „
Dann schnappte er sich die Unterlagen von Heller und nach etwas small talk ging man auseinander .
Mitunter war Heller auch ein zurückhaltender und höflicher Mensch .
Also rief er , auf Antwort wartend , erst am 5.Februar an .
Grabsch druckste , er war wieder der Aal in der Reuse , etwas am Telefon herum und sagte dann :
„Ihre Unterlagen sind noch nicht beim Kreditbüro  .“
„Warum?“
Jetzt wurde Grabsch unterwürfig ;
„Ich habe sie verlegt „
„Warum  haben sie nicht angerufen ?„
Grabsch wurde noch kleinlauter :
„Es war mir so peinlich“
Heller blieb höflich :
„ Das lindert doch den Mangel nicht und wird nur noch peinlicher .
In einer halben Stunde haben Sie meine Unterlagen noch einmal .
Wann bekomme ich dann Bescheid ?“
„Am 9.Februar“ hieß voller Überzeugung die Antwort .
Heller blieb zurückhaltend und rief erst am 12.2. am späten Nachmittag an .
Grabsch wirkte ungehalten :
„So schnell geht das aber nicht , ich melde mich morgen „
Heller wartete gespannt den nächsten Tag , den 13.2. , ab und als kein Anruf kam , diktierte er seiner Sekretärin einen Dreizeiler und brachte ihn zur Post .
Am nächsten Nachmittag meldete sich Grabsch :
„Ihr Umschuldungsantrag ist genehmigt .
Ich bin aber etwas irritiert , dass sie meinem Vorstand geschrieben haben „
Was so ein Dreizeiler bewirken kann . Da steckt man am Abend des Dienstags einen Brief ein  und am Mittwochnachmittag scheint alles erledigt .
Ein für diese „Braunbank“ ,wo sonst Kreditanträge schon mal ein Jahr in der Schublade vergessen werden , erstaunliches Kommunikationstempo .
Man verabredete sich für den 20.2. zur Detailklärung .
Grabsch machten einen fast servilen , aber entspannten Eindruck , als wenn alle Wackersteine aus seinem Rucksack gefallen wären .
Die schweißarme Körpersprache drückte serviles Entgegenkommen aus .
„Sie können mir das Gesprächsergebnis auch per Aktenvermerk bestätigen .
Ich werde ihn gegenzeichnen . „
Diese Kundennähe war völlig atypisch .
Wahrscheinlich hätte Heller noch einmal den Schuldenschnitt ansprechen sollen .
Die plötzlich total konziliante Art machte ihn nach langjährigen Attacken und permanentem Psychoterror sprachlos .
Er fuhr ins Büro , verfasste den Aktenvermerk und sandte ihn ab , gespannt wartend .
Nach einer Woche , soviel Zeit muss sein, der Februar war fast zu Ende , rief er wieder an .
Wenn die Schweißperlen von Grabsch in die Leitung geraten wären , hätte es einen Kurzschluss geben können .
Die Stimme war gequält wie die eines Gefolterten .
„Ich finde keinen zweiten Unterschriftsberechtigten , der ihren Aktenvermerk noch gegenzeichnen könnte .“
Tolle „Braunbank“ !
500 Mitarbeiter und nur einer kann schreiben .
Grabsch versuchte zu glätten , um aus der Situation herauszukommen .
„Wir brauchen die Unterschrift gar nicht mehr , die Kreditverträge sind fertig und noch diese Woche in ihrer Post „
Heller war wieder sprachlos .
Tag um Tag öffnete er den Briefkasten .
Viel Post , aber keine von der „Braunbank“
Es war nun März .
Er rief wieder dieses schweißgebadete Fleischbündel an .
Der musste ein Training absolviert haben nach dem Motto :
 „Wie sage ich es meinem Kunden“ .
„Es ist mir peinlich , aber die Verträge waren leider falsch adressiert und sind zurückgekommen . Jetzt müssen sie noch einmal geschrieben werden . Sie kommen jetzt in der nächsten Woche .„
Dann kam der Klassiker :
„Die „Braunbank“ ist eben ein großes Haus , da kann so etwas schon einmal passieren „
Hellers Sprachlosigkeit drohte zu einem Dauerschaden zu mutieren .
Da bekam er seit 22 Jahren diverse Post (Auszüge , Drohbriefe  ,Rückläufer etc.) stets an die richtige Adresse und plötzlich  waren auf einmal diese wichtigen Verträge falsch adressiert .
Die Verträge kamen , datiert jetzt vom 12.3. , am 19.3. an .
Man verabredete sich zur Paraphierung und Unterzeichnung für den 23.3. und vollzog den Vertragsabschluss .
Alle konnten plötzlich wieder schreiben  .
Am 24.3. öffnete Heller wieder den Briefkasten .
Ein blauer Umschlag von der Staatsanwaltschaft , datiert vom 12.3., abgestempelt am
23.3. , lag dort :
„Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren , das Heller beim LKA in Gang gesetzt hatte , wegen Vorteilsnahme und Untreue gegen die Bank und Vennig ein „
Heller hatte ein neues Tor im Merkwürdigkeitsslalom passiert .
Bei einem nächsten Treffen verabschiedete sich Grabsch schweißarm und selbstsicher , er muss wohl wieder zum Training mit dem Motto : „Degradierung als Glücksfall“ geschickt worden sein , mit den Worten :
„Ich wechsele in die Insolvenzabteilung „
Fast hätte er es vergessen zu sagen und ergänzte :
„ Es war mein ausdrücklicher Wunsch , ich wollte da unbedingt hin “

Freiwillig ist im 2. Weltkrieg niemand in das Strafbataillon gewechselt .
Der sog. Rechtsstaat findet eben mittlerweile oft im Hinterzimmer statt .
Der Markt bestimmt das Recht , nicht das Recht den Markt .